Mittwoch, 14. Dezember 2016

Neues Menschlein




Ein neues Menschlein ist geboren



wie er wohl aussieht
wie wird er wohl heißen
ob mama und papa lachen oder weinen vor glück
ob er dem opa ähnlich sieht?

ich weiß es nicht
ausgegrenzt und beiseite geschoben
stehe ich außen vor
darf nur zusehen 
wie sie sich untereinander freuen

durch zufall erfahren 
wie eine fremde
bin diejenige die alles schlimmer macht
die schuldige, die nun die Last von allen tragen darf
damit sie sich frei fühlen können



Mittwoch, 1. Juni 2016

EIS



Es herrscht Eiszeit.

Schon längere Zeit. Manchmal meint man, man könne doch einen Hauch von Sonnenstrahlen fühlen, jedoch wird man gleich wieder eines Besseren belehrt.
Eiszeit.
Gefrorenes Wasser, Türkis und blau - auch die Farbe versprüht Kälte. Eisbrocken, Eiszapfen, und oft wundert man sich, dass das Wasser noch fließt. Es müsste doch eigentlich erstarren.
Es schmerzt, wenn man das Eis berührt. Bis in die Seele hinein. Und doch herrscht Klarheit. Klare Sicht, klare Luft. Die Ausatemwolke verformt sich in winzige Eiskristalle. Jedes für sich ein kleines Wunder. Jeder Schritt knirscht unter den Schuhen. Schleppend setzt sich ein Fuß vor den anderen. 

Es herrscht Eiszeit. 

Der Himmel strahlt in seinem Blau. Kalt und erbarmungslos lässt er die Kälte hernieder. Täuschend ist das wärmend erscheinende Himmelblau. 
Still ist es. 
Man hört die Stille. 
Laut ist sie.   

Es herrscht Eiszeit.
Schon längere Zeit. Manchmal meint man, man könne doch einen Hauch von Menschlichkeit fühlen, jedoch wird man gleich wieder eines Besseren belehrt.
Eiszeit.
Keine Gefühle, keine Liebe - allein der Blick versprüht Kälte. Wie ein Eisberg, und man wundert sich oft, dass diese Frau noch lebt. Sie müsste doch eigentlich schon lange erstarrt sein. 
Es schmerzt, wenn man sie berührt. Bis in die Seele hinein. Und doch herrscht Klarheit. Klare Sicht, klare Gedanken. Es gibt keine Ausatemwolke, denn ich bekomme in der Gegenwart dieses Menschen kaum mehr Luft. Kein Wunder. Jeder Schritt in ihre Nähe ist mühsam, schleppend setzt sich ein Fuß vor den anderen.

Es herrscht Eiszeit. 

Das Lachen strahlt in seiner Falschheit. Kalt und erbarmungslos lässt sie die Kälte auf mich hernieder. Täuschend ist das freundlich erscheinende "Wie geht es dir".
Still ist es. 
Man hört die Stille.
Laut ist sie. 




Schreibkick für das Monat Mai 2016
Idee: Sabine Fessler

Montag, 30. Mai 2016

Zu Besuch bei Tante Rosalinde Pudermond

Morgen ist es wieder soweit. Der alljährliche Besuch bei Tante Rosalinde steht bevor. Wie jedes Jahr habe ich von der allerbesten Konditorei eine Torte für sie bestellt. Und wie jedes Jahr wusste ich nicht, welche Geschmacksrichtung sie eigentlich bevorzugt. 
In diesem Jahr hab ich mich für Schwarzwälder-Kirsch-Torte entschieden. Schön cremig und keine Nüsse drin. 93 wird sie in diesen Tagen, und ist immer noch ziemlich fit. Sie lebt mit ihrem Mann im gemeinsamen Haus. Die beiden erledigen den Haushalt so gut es geht. Nur für gröbere Angelegenheiten wie Fenster putzen oder Böden wischen kommt eine Aushilfe. 

Ich freue mich, wenn ich sie sehe, jedoch schwindet diese Freude nach ungefähr einer halben Minute und macht einer gewissen Portion Angst Platz. 
Tante Rosalinde spricht nicht. 
Nein.
Sie singt. 
Und das aus vollster Inbrunst. Den ganzen Tag lang. Jedes Wort, jeden Satz, den sie sagen könnte, verwandelt sie in hochtönige Arien. 
Wie das mein Onkel aushält, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich trägt er zu Hause keinen Hörapparat. 
Damals, in den 1940er Jahren war sie als Statistin und Chorsängerin im Theater engagiert. Und seit damals singt sie. 

Die Familienbesuche dauern immer nur kurze Zeit, denn auch andere Verwandte halten die Geräuschkulisse der schrulligen, alten Dame nicht lange aus. Meist macht sie sich schick für ihr Fest und kleidet sich in bunte Hosen, schrille Oberteile und als besonderen Schmuck bindet sie sich oft eine Riesenmasche aus pinkfarbenen Tüll um den Hals. 
"Für die Showbühne!" wie sie meist sagt ....... äh....singt.

Einmal noch schlafen, dann gibt´s wieder Musik um die Ohren. Was sie da immer singt, weiß ich eigentlich auch nicht. Vielleicht sollte ich sie mal danach fragen. Ob sie mir dann noch mehr vorsingt?

Das Handy läutet. Es ist fast drei Uhr morgens. Tante Rosalinde ist tot. Einfach umgefallen, einfach aufgehört zu singen. 

Was sie gesungen hat, werden wir nie wissen. 




Schreib-Input des "Schreibraums" - HdF Linz
Idee: Sonja Kapaun

Donnerstag, 19. Mai 2016

Schreibkick: Es kommt die Zeit


Es ist die Zeit, in der ich nur in Gedanken tanze.
Es kommt die Zeit, in der mein Herz vor Übermut springt.


Es ist die Zeit, in der ich mich täglich aufs Neue verurteile.
Es kommt die Zeit, in der ich nicht mehr im Vergeben verweile. 


Es ist die Zeit, in der meine Gedanken sich schnell wie ein Kreisel drehen.
Es kommt die Zeit, in der ich in Langsamkeit bestehe.

Es ist die Zeit, in der es oft sehr dunkel um mich scheint.

Es kommt die Zeit, wo die Wahrheit im Licht erscheint.

Es ist die Zeit, in der Ungerechtigkeit zum guten Ton gehört.

Es kommt die Zeit,wo jedem die Gerechtigkeit widerfährt, die er verdient.

Es ist die Zeit, in der sich der Verstand oft in mir versteckt.

Es kommt die Zeit, in der ich alles verstehen kann, was ich jetzt nicht verstehe.

Es ist die Zeit, in der ich mich frage, warum ich das alles tue.

Es kommt die Zeit, in der ich alles tue, ohne zu fragen.

Es ist die Zeit, in der ich mich einsam fühle, obwohl ich nicht alleine bin.

Es kommt die Zeit, in der jeder allein sein wird, obwohl er niemals einsam war.

Es ist die Zeit, in der ich Antworten auf meine Fragen suche.

Es kommt die Zeit, in der es keine Fragen mehr gibt, und ich keine Antworten mehr brauche.

Es ist die Zeit, in der ich glaube, dass unsere Liebe voller Lügen ist.

Es kommt die Zeit, in der sich Liebe glaubhaft anfühlen wird.

Es ist die Zeit, in der ich traurig bin und wir uns voneinander entfernen.

Es kommt die Zeit, in der sich die Traurigkeit von mir entfernt.

Es ist die Zeit, in der ich meine Träume in meinem Herz verschließe.

Es kommt die Zeit, in der mein Herz zur Freiheit drängt.

Es ist die Zeit, wo Hilferufe stumm geredet werden.
Es kommt die Zeit, in der die Stummheit stimmhaft wird.

Es ist die Zeit, in der ich nicht erwünscht bin.

Es kommt die Zeit, in der ich mir selbst genüge.

Es ist die Zeit, in der ich ausgeschlossen bin.

Es kommt die Zeit, in der ich mich für mich entschließe.

Es kommt die Zeit, in der mein Ich mein Ich erblickt.

Es kommt die Zeit, in der meine Wunden geheilt sind.
Es kommt die Zeit, wo alles nicht mehr weh tut.
Es kommt die Zeit.




Dies ist mein Beitrag zum Schreibkick für Monat Mai 2016.
Idee: Sabine Fessler

Freitag, 1. April 2016

Schreibkick: Geborgenheit



Sag mir, dass mein Wunsch kein Traum mehr bleibt
und dass das Glück sich bei uns einverleibt.

Sag mir, dass ich nichts mehr fürchten muss
und du mich wiegst wie einen zarten Kuss.

Sag mir, dass unser Schweigen nach so langer Zeit
ein Ende hat nach gefühlter Ewigkeit.

Sag mir, dass ich dir nah sein kann
ich deinen Atem spür und dann…
-                  -   sag mir wann.

Sag mir nicht, dass unsere Stimmen lautlos sind
und ich dich vor lauter Suchen nicht mehr find´.

Zeig mir nicht, dass deine Blicke sind so leer
denn darin find ich mich selbst nicht mehr.

Sag mir, dass wir uns treiben lassen
und uns dabei an den Händen fassen.
Auf hohen Wellen am tiefblauen Meer
unsere Liebe könnt´ so viel mehr.

Sag mir nicht, es tut dir leid
und gleichzeitig ertrink in Lieblosigkeit.

Sag mir, dass ich dir nah sein kann
ich deinen Atem spür und dann…
-                  -   sag mir wann.

Sag mir, dass du endlich dein Herz aufmachst
und du von nun an aus Liebe erwachst.

Sag mir, dass unsere Seelen im Gleichklang singen
und im Takt des Lebens gemeinsam schwingen.

Sag mir, dass vorüber ist unsre Einsamkeit
und schenke mir….Geborgenheit.



Dies war der Schreibkick vom 1.4.2016 zum Thema "Geborgenheit".
Idee: Sabrina Fessler